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Schülerprojekt 
"Jüdisches Leben in Suhl"

Textilgeschäft Hugo Rehbock

Das Textilgeschäft „Hugo Rehbock“ besaß bis zur Übernahme von Hugo Rehbock den Namen „Hugo Simons“. Diese Firmenbezeichnung hat etwas mit dem früheren Besitzer, Hugo Simons zu tun. Hugo Rehbock übernahm am 2. November 1911 das Geschäft. Hugo Rehbock wurde am 22. Februar 1880 als Jude in Gehaus, Thüringen geboren. Er war der Sohn des Ehepaars Meyer und Henriette Rehbock. Er war der Bruder von fünf Geschwistern. Als junger Mann ging er nach Suhl und trat am 7. Juli 1911 dem Textilgeschäft von Hugo Simons bei. Am 2. November wurde der Jude alleiniger Inhaber des -Geschäfts, jedoch immer noch unter der Bezeichnung „Hugo Simons“. Später änderte er dies in den bekannten Namen „Hugo Rehbock“ (vgl. Aderhold, Wiedemann 2008, S.28). Daraufhin heiratete der Geschäftsmann die Tochter des Büchsenmachers Kummer, Emma Kummer. Die Ehe zwischen den beiden war oft liebevoll, da Hugo Spitznamen, wie „Martel“ oder „mein Hühnchen“ für seine Frau nutzte. Emma Kummer, später Rehbock, war das erste von insgesamt zehn Kindern der Familie. Sie wurde am 9. April 1886 geboren (vgl. ebd.) Das Geschäft zog am 1. Juli 1927 aus der Straße „Markt 8“ in einen größeren Raum in die „Poststraße 7“ um. In der Poststraße 7 war bisher das Kaufhaus Zschoke lokalisiert. Zusammen betrieb das Ehepaar nun das Geschäft, welche ihre Wohnung gleich über dem Laden hatten. Nach 18 Jahren in Betrieb wurde die Firma „Hugo Rehbock“, aufgrund der im Jahr 1938 stattfindenden „Arisierung“ aus dem Handelsregister gestrichen. Dies geschah, obwohl seine Frau Emma Rehbock eine sogenannte „Arierin“ war. In den folgenden Jahren wurden Emma und Hugo Rehbock sowie andere jüdische Bürger aus Suhl verschiedenen Maßnahmen ausgesetzt, die zu ihrer Diskriminierung und Ausgrenzung führten. Obwohl nicht jeder etwas gegen die Juden hatte, wurden sie mit allen Mitteln bloßgestellt, falls sie den Kontakt mit Juden hielten. So wurden zum Beispiel Namen von Nicht-Juden an der Gemeindetafel wöchentlich ausgehangen, die in einem jüdischen Geschäft eingekauft hatten. Das zwang sie, sich fernzuhalten und hatte zur Folge, dass die Geschäfte der Juden nicht allein überleben konnten. Hugo Rehbock schaffte es jedoch auch noch nach dem letzten Judentransport am 6. Oktober 1942 in Suhl weiter leben zu können. „[…] die Zeitungen prahlten:, Suhl ist Judenfrei‘ […].“ (ebd.) Daraufhin bekam der ehemalige Bürgermeister Adolf König einen Brief vom NS-Kreisleiter, welcher sagte „,wie es möglich sein kann, dass der mit einer Arierin verheiratete Jude Rehbock in Suhl, kinderlos, noch eine Acht-Zimmerwohnung bewohnen kann?‘“. Jedoch war das eine Falschmeldung. Die Eheleute Rehbock besaßen eine Vier-Raumwohnung, was der Bürgermeister auch richtigstellte. Trotzdem wurden ihnen zwei Räume weggenommen und sie mussten alles außer dem Schlafzimmer und der Küche räumen. Die Räume wurden an Arier vergeben (vgl. ebd., S. 29). Hugo und Emma Rehbock hielten immer fest zusammen, auch als Hugo schwer krank wurde. Sie kümmerte sich liebevoll um ihn. Hugos andere Familienmitglieder hatten unterschiedliche Erfahrungen. Dem Bruder und dessen dreijährigen Sohn traf die Shoah. (vgl. ebd.) Hugo Rehbock verstarb aufgrund seiner schweren Krankheit am 11. Oktober 1966 in Suhl und wurde dort auf dem jüdischen Friedhof im Rahmen seiner Kultur beerdigt. Seine Frau starb zehn Jahre später und wurde neben ihrem Mann begraben. Seitdem wurde niemand mehr dort beerdigt (vgl. ebd.)

Suhler Synagoge

Die Suhler Synagoge in der Straße der Opfer des Faschismus wurde 1906 erbaut. Sie war damals ein Zeichen für die Emanzipation der jüdischen Gemeinde in Suhl. Die Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 zerstörte das Bethaus nach nur 32 Jahren. Nun steht dort ein Stein zum Gedenken an diese Nacht. Allgemein beschrieben ist eine Synagoge ein Ort, an dem die jüdische Gemeinde ihre Religion ausüben kann. Die Synagoge oder auch Betraum bildet somit den „[…] religiösen, kulturellen, erzieherischen und politischen Mittelpunkt jüdischen Lebens.“ (vgl. Aderhold, Wiedemann 2008, S.12). Dabei unterscheidet sich jede Synagoge in ihrer Gestaltung. Bestimmte Elemente wie einen Thoraschrein, ein Pult, das Ewige Licht und häufig ein Frauenraum oder eine Frauenempore findet man in jeder Synagoge (vgl. ebd.) Da es früher an finanziellen Mitteln fehlte und der Erwerb eines Grundstücks verwehrt wurde, war an das Bauen eines solchen Gebäudes in Suhl nicht zu denken. Oftmals hatten Juden daher ihre eigenen Beträume in ihren Privathäusern. Erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts gab es Fortschritte hinsichtlich der jüdischen Gemeinschaft, als Synagogenbezirke aufgrund der Integration gebildet wurden. Somit existierte ab dem 17. Januar 1856 die „Synagogengemeinde Heinrichs mit Suhl“. Der Betraum, welcher von insgesamt 29 Familien genutzt wurde, befand sich im Haus Nummer 26 in Heinrichs. Die jüdische Gemeinde verlagerte sich jedoch aufgrund der schnell voranschreitenden Industriellen Revolution in die Fabrikstadt Suhl. Der Sitz der Gemeinde wurde Suhl und hieß demnach: „Jüdische Gemeinde Suhl mit Heinrichs“. Anfangs wurde ein Saal zum Beten angemietet, welcher bis zum Erwerb des Grundstücks „Bornmüllerschen Garten“ 1905 verwendet wurde. Die Idee für den Bau einer Synagoge kam auf. Baumeister Büttner wurde von der jüdischen Gemeinde mit dem Bau einer eigenen Synagoge beauftragt. Gleich ein Jahr später kam es zur Einweihung der im byzantinisch-maurischen Stil gebauten Synagoge (vgl. ebd.) Jedoch blieb die jüdische Gemeinschaft nicht lange verschont, da sich nun auch in Suhl die antisemitischen Tendenzen gegen Ende des 19. Jahrhunderts verstärkten. So stellten sich Fabrikbesitzer wie Carl Haenel und Franz Sauer gegen die Sozialdemokraten und gegen das Judentum. Sie waren damit nicht allein. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem folgenden Versailler Vertrag wurde die Waffenproduktion zunehmend eingeschränkt, was zu steigender Arbeitslosigkeit führte. Die jüdische Firma Simons erhielt jedoch ein Privileg auf ihre Waffenproduktion, wobei Neid von anderen Unternehmen aufkam. Somit wurde das politische Klima mit der Zeit zunehmend herausfordernd, als Verbände wie der „Stahlhelm“, der eng an die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) gebunden war und dessen Anführer sich im Suhler Raum befand, die Menschen aufhetzte. Gewalt wurde zur Normalität, der nicht entgegengewirkt werden konnte, da die Regierung in Berlin und der Reichstag keine Probleme mit den Aktionen hatten (vgl. ebd., S. 14) Im März 1933 wurden alle Parteien außer die NSDAP verdrängt, um die Verfolgung der Juden zu erleichtern. Die darauffolgenden Aktionen gegen die Juden, wie zum Beispiel den Boykotten gegen die Geschäfte im April 1933 und das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, welches jüdische Lehrer an der Kaiser-Wilhelm-Oberrealschule (Käthe Sanders) und Mittelschullehrer (Max Levi und Abraham Jaffe) entließ, hatte zur Folge, dass die jüdischen Bürger von Suhl die Stadt verließen. In Folge der Arisierung, welche der neue Bürgermeister Adolf König 1937 veranlasste, kam es zur Pogromnacht in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938. Die SA-Männer zerstörten in dieser Nacht das Inventar der Suhler Synagoge und steckte diese in Brand. Die Feuerwehr erhielt den Befehl, nicht auszurücken. Die jüdische Gemeinde war für das Abtragen der Trümmerreste verantwortlich. Somit stand die Suhler Synagoge nur 32 Jahre (vgl. ebd., S. 15)

Familie Jacoby

Kurt Jacoby war der ehemalige Notar von Suhl, welcher jüdische Wurzeln besaß. Zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern lebte er bis 1936 in Suhl. 1936 wanderten sie nach Israel aus. Unter armen Bedingungen lebten sie bescheiden, aber glücklich ihre restliche Zeit in Israel. Die Familie Jacoby bestand aus dem Vater, Kurt Jacoby, geboren am 28. Februar 1890 in Stolp/Pommern und 1970 in Israel gestorben, der Mutter Elisabeth Jacoby, geborene Toenissen, geboren am 21. März 1895 in Esensham/Oldenburg und gestorben 1981 in Israel, und ihren drei Kindern Hermann, Hans und Maria (Miriam). Kurt Jacoby war der Notar von Suhl und saß unteranderem mit im Stadtrat neben dem ehemaligen Bürgermeister Engel. (vgl. Aderhold, Wiedemann 2008, S.55) In der Kindheit von Hermann, Hans und Maria kam es häufig zu Problemen in der Schule aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln. Daraufhin entschied sich die Familie, nach Palästina auszuwandern. Ohne viel Geld und nur mit ihren Betten kam die Familie nach Tel Adashim, einem Dorf im „furchtbarsten Teil von Israel, in Galiläa“ (ebd.) So sagt die Tochter Maria, heute Miriam über ihre Kindheit. Der Name Maria wurde nach dem Auswandern zu der hebräischen Version Miriam. Kurt Jacoby wurde zum Farmer ungeschult. Einer der Brüder ging Studieren, der andere Bruder half auf der Farm mit. Miriam lernte den Beruf der Krankenschwester und arbeitete 26 Jahre in der benachbarten Stadt Afula. (vgl. ebd., S. 56) Miriams Eltern wurden 80 und 86, haben aber nie viel von Suhl erzählt. Das letzte Mal besuchte Miriam die Stadt Suhl 1995. (vgl. ebd.) Der größte Bruder Hermann starb 1995 in Israel, Hans ist im Unabhängigkeitskrieg 1948 gestorben. Heute gibt es zur Erinnerung an die Jacoby-Familie einen Stolperstein an der ehemaligen Notarsvilla in der Puschkinstraße (vgl. ebd.)

Denkmal „Kämpfer gegen den Faschismus“

Das Suhler Denkmal „Kämpfer gegen den Faschismus“ wurde im Jahr 1963 von Erich Wurzer am Kulturhaus, auf dem heutigen Platz der Deutschen Einheit errichtet und 1978 von Jürgen Conrad in den Suhler Stadtpark umgesetzt. Die Gedenkstätte wurde 1994 umgestaltet. Das Ehrenmahl für die Kämpfer des Faschismus wurde am 18. Oktober 1963 von Juri Gagarin, dem ersten Kosmonauten der Welt, auf dem Ernst-Thälmann-Platz, dem heutigen Platz der Deutschen Einheit, enthüllt. 1978 wurde es dann in den Stadtpark umgesetzt. „Das vom Suhler Bildhauer Erich Wurzer geschaffene Relief symbolisiert den mutigen und entschlossenen Widerstandskampf der Antifaschisten unter Führung der KPD gegen den faschistischen deutschen Imperialismus in den Jahren 1933 bis 1945“ (Kommission zur Erforschung der Geschichte der öffentlichen Arbeiterbewegung bei der Bezirksleitung Suhl der SED 1979). Auch in Suhl waren große Verluste unter den Antifaschisten zu verzeichnen So wurden 14 Antifaschisten verurteilt und hingerichtet. 41 Kämpfer gegen den Faschismus wurden von der Gestapo oder des SS ermordet. Sechs Antifaschisten starben noch nach Ende des NS-Regimes an den Folgen ihrer Haft in nationalsozialistischen Gefängnissen. Insgesamt 516 Widerstandskämpfer aus dem heutigen Bezirk Suhl wurden von der nationalsozialistischen Justiz zu Haft in Konzentrationslagern, Zuchthäusern, Gefängnissen oder „Schutzhaft“ verurteilt (vgl. ebd.) Auf dem Stein kann man die aufrechte und blockartige Haltung der einzelnen Figuren und ihre strenge, frontale Anordnung um den Fahnenträger sehen, welche - in der Sprache des sozialistischen Regimes - den verlustreichen Kampf gegen den deutschen Imperialismus symbolisieren. Die Figur des Fallenden zeigt, trotz des Zusammenbruchs, eine verbleibende Energie, die auf einem festen Glauben an den endgültigen Erfolg über Gewalt und Unterdrückung basiert. Diese Darstellung hebt den Widerstand und die Ansicht der Kämpfenden hervor, die auf den Sieg ihrer Ziele vertrauen (vgl. ebd.) Zur Einweihung des Ehrenmals stand neben den Stein die Worte Johannes R. Bechers „Die Macht ist Euch gegeben, daß Ihr sie nie, nie mehr aus Euren Händen gebt“ (vgl. ebd.) Das Denkmal trägt zudem den Namen einer Medaille, welche 1958 besonderen Personen verliehen wurde. Die „Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus 1933-1945“ wurde 1958 vom Ministerrat der DDR gestiftete und jedem verliehen, der anerkannter Teilnehmer des kommunistischen, antifaschistischen Widerstandskampfes war. Auf der Medaille werden Ernst Thälmann und Rudolf Breitscheid abgebildet, welche im Konzentrationslager Buchenwald ermordet wurden. (vgl. Lemo, o.J.)

Familie Mühlfelder

Die Familie Mühlfelder bestand aus dem Vater Julius Mühlfelder, der Mutter Minna Mühlfelder geborene Frank, und ihren zwei Kindern Ludwig und Ellen. Julius Mühlfelder war ein Kaufmann, seine Frau ein Kindermädchen. Der Sohn Ludwig wurde am 13. Juni 1924 geboren, die Tochter Ellen 1928. Nach der Reichspogromnacht emigrierte Julius Mühlfelder in die USA. Minna, Ludwig und Ellen war es erst 1939 möglich, Deutschland zu verlassen. [hier ausführliche Version weiterlesen] Ludwig wurde 1930 in die Hohelohschule eingeschult und wechselte 1934 in die Mittelschule. Während seiner Schulzeit war er, aufgrund seiner jüdischen Wurzeln, den Hänseleien seiner Mitschüler ausgesetzt. Vater Julius übernahm 1930 eine Ledergroßhandlung in Suhl (vgl. Aderhold, Wiedemann 2008, S. 38). Drei Jahre nach der Übernahme des Geschäfts holten sie die Ereignisse nach Hitlers Machtübernahme ein. Hitler rief im April 1933 zu Boykotten jüdischer Geschäfte auf. Dies traf auch auf den Laden der Familie Mühlfelder zu. SA-Leute standen vor dem Ledergroßhandel und behinderten Menschen, das Geschäft zu betreten. 1936 wurde der Bruder von Julius, Lothar Mühlfelder, von der Gestapo verhaftet. Als Grund wurden „staatskritische Äußerungen“ angeführt. Nach der Entlassung aus der Schutzhaft kam er in das Konzentrationslager Dachau. Nach sechs langen Monaten kam Lothar Mühlfelder abgemagert heim und emigrierte drei Tage später nach Palästina (vgl. ebd.) Die Reichspogromnacht forderte viele Opfer. Die Suhler Synagoge brannte nieder. Jüdische Männer wurden verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Julius Mühlfelder konnten sie auf einer Dienstreise in seinem Hotel in Gewahrsam nehmen. Nachdem er im Dezember 1938 aus dem KZ-Buchenwald entlassen wurde, emigrierte er im Januar in die USA. Die Einreise der drei anderen Familienmitglieder wurde aufgrund Ellens Behinderung verwehrt, woraufhin Minna, Ellen und Ludwig zu Lilly Goldmann und ihrer Mutter zogen. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatte die Familie die Hoffnung auf ein Visum aufgegeben. Am 12. September 1939 erhielten sie doch die Visa, da Julius Mühlfelder und Carl Lämmle, auch ein Jude, für alle gebürgt hatten (vgl. ebd.) Im Sommer 1939 wurde jüdischen Bürgern vorgeschrieben, in sogenannte „Judenhäuser“ umzuziehen. In Suhl befand sich eines dieser Häuser in der Kellerstraße 4. Dort erhielten unter anderem die Familien Mühlfelder und Mannheimer jeweils ein Zimmer. Am 21. November 1939 konnten die drei verbliebenen Familienmitglieder der Familie Mühlfelder Deutschland verlassen und setzten am 24. November 1939 von Rotterdam nach New York über. Am 5. Dezember 1939 fand die Wiedervereinigung der Familie statt. Das ganze Vermögen musste zurückgelassen werden (vgl. ebd., S. 39). Ludwig wurde in die Weequahic High School in Newark, New Jersey eingeschult. Vater Julius arbeitete in einer Ledergroßhandlung, während Mutter Minna als Haushalthilfe arbeitete. 1942 schloss Ludwig die Highschool ab. Ludwig fing als Maschinist an und besuchte währenddessen das Newark Collage of Engineering. 1943 ging er freiwillig zur US-Army und wurde nach Frankreich verlegt. Zwei Jahre später wurde er zum Feldwebel befördert. Im März 1946 kehrte er zu seiner Familie zurück und nahm sein Studium wieder auf. Nach weiteren vier Jahren schloss er sein Studium ab und bekam einen Job als Elektroingenieur bei der Firma „Curtis-Wright-Corporation“. Ludwig Mühlfelder heiratete am 6. August 1952 Beatrice Bravmann im „TemppleBneiJeshurun“ in Newark. Sie bekamen drei Kinder, Daniel James, Barry Frank und Leslie Flora (vgl. ebd.) Ludwig betätigte sich engagiert in der jüdischen Gemeinde Emanu-El, wo er 1964 zum Vorstand gewählt wurde, aber auch in der „Union of American HebrewCongregations“ wurde er tätig. Außerdem war er Mitglied der Katholisch-Jüdischen Dialog Gruppe von New Jersey und veröffentlichte sein Vorwort zum Buch „Juden in Suhl“ an seinem 70. Geburtstag, 1994. (vgl. ebd., S. 40). Ludwig Mühlfelder hatte sich, aufgrund der dort gemachten Erfahrungen, entschlossen, nicht wieder in seine Heimatstadt zurückzukehren. Dennoch kam er aufgrund eines Briefes des ehemaligen Oberbürgermeisters, Dr. Martin Kummer, im August 1996 nach Suhl zurück. Er besuchte die Stadt insgesamt zwei Mal, nachdem die Familie in die USA ausgewandert ist. Das erste Mal vom 12. bis 15. August 1996, wo er seine Autobiografie, „Weil ich übriggeblieben bin“ im Suhler Buchhaus vorstellte. Außerdem trat er mit der Suhler Bevölkerung und den Schülern in Kontakt. Sein zweiter Besuch war im Juli 1999, in dem er wieder seine Erinnerungen mit den Suhler Schülern geteilt hat. Ludwig Mühlfelder starb am 9. Januar 2004 mit 79 Jahren in Livingston in den USA (vgl. ebd., S. 41).

Judithstraße

Die Judithstraße war früher als „Jüdengasse“ bekannt. Somit bildete sie das jüdische Viertel Suhls, welches sich am Rand der Innenstadt befand. Die Gasse durfte von Juden zu bestimmten Zeiten, z. B. Ostern, nicht verlassen werden. Jedoch lässt sich nicht genau sagen, ob es eine verschärfte Abgrenzung der „Jüdengasse“ durch Schranken oder Mauern gab (vgl. Aderhold et al. 2008, S. 44). Aufgrund der zahlreichen Stadtgründungen im 12. und 13. Jahrhundert breiteten sich die jüdischen Gemeinden auch in Thüringen aus. Die Erstniederlassung der Juden in Suhl ist zwar nicht nachweisbar, jedoch lässt sich annehmen, dass diese bis ins 14. Jahrhundert zurückgeht. Dies hängt unter anderem mit dem kaiserlichen „Judenregal“ zusammen, welches die rechtliche Stellung der Juden regeln sollte, ihnen aber auch Schutz gewährte. Dieses wurde 1315 dem Landesherrn der Grafschaft Henneberg-Schleusingen, Berthold VII. (1284–1340), übertragen. Da Suhl Teil des Herrschaftsgebietes war, siedelten sich zunehmend jüdische Bürger in der Stadt an. Dennoch waren die Juden stark eingeschränkt, z. B. durch einen gesonderten Badetag oder einen vorgeschriebenen Backtag. Ebenfalls war es ihnen im gesamten Reich verboten, Grundbesitz zu erwerben oder Handwerk auszuüben, weswegen die jüdischen Arbeiter sich auf Vieh- und Hausierhandel fokussierten (vgl. ebd.) In Suhl diente die Ansiedlung der Juden hauptsächlich der Generierung zusätzlicher Steuereinnahmen. Um den Schutz des Herrschers zu erhalten, mussten die Juden ein bestimmtes Vermögen aufweisen und Schutzgelder zahlen. Diese Gelder wurden durch die Landesherren als Einnahmequelle genutzt (vgl. ebd.) Im 14. Jahrhundert begannen die ersten Judenverfolgungen und -vernichtungen in Deutschland. Ab 1530 wurde ein kaiserlicher Auftrag aufgegeben, welcher auf die Ausweisung der Juden aus den Städten abzielte. Zwar wurden aufgrund des folgenden Geldmangels noch weitere Schutzbriefe für die Juden in Suhl ausgestellt, jedoch rebellierten die Landesstände 1552 gegen diese Vorgehensweise. Infolgedessen mussten die jüdischen Einwohner Suhls in der Mitte des 16. Jahrhunderts die „Jüdengasse“ und somit die Stadt verlassen (vgl. ebd. S. 44f.) Da jüdische Bürger im 19. Jahrhundert zunehmend Freizügigkeit erhielten, siedelten sie sich wieder vermehrt in Städten an. Somit ließen sich auch in Suhl wieder Juden nieder. Bis 1856 bewohnten wieder zehn jüdische Familien die Stadt und 1877 waren in der Wahlliste 16 wahlberechtigte Juden eingetragen. Die „Jüdengasse“ wurde im 19. Jahrhundert zunächst in Judithgasse umbenannt und im 20. Jahrhundert schließlich in Judithstraße (vgl. ebd. S. 45).

Jüdischer Friedhof

Der jüdische Friedhof in Suhl ist ein wichtiger Ort des Gedenkens und ein Zeugnis der jahrhundertelangen jüdischen Geschichte in der Stadt. Er wurde 1903 „Am Hoheloh“ an der heutigen Straße „Opfer des Faschismus“ errichtet. Er befindet sich westlich der christlichen Gräber und umfasst neben 56 Grabstätten auch eine Trauerhalle sowie eine Wasserentnahmestelle (vgl. Alemannia Judaica 2014). Dem Friedhof wird in der jüdischen Kultur eine hohe Bedeutung zugeschrieben und er wird auch als der „Gute Ort“ bezeichnet (vgl. Aderhold et al. 2008, S. 6). Der erste jüdische Friedhof wurde m 1720 in Heinrichs „an der Haardt“ eingerichtet. Die letzte Beerdigung auf diesem Friedhof fand 1917 statt. Da sich die jüdische Gemeinde aus Heinrichs zunehmend Richtung Suhl bewegte und dort etablierte, wurde der zweite jüdische Friedhof Suhls nahe der Stadtmitte angelegt. Im Gegensatz zum ersten, charakterisiert sich dieser zweite Friedhof auch durch christliche Merkmale (vgl. ebd. S. 7f.) In der jüdischen Kultur werden die Toten in ihren Gräbern mit den Füßen nach Osten in die Richtung der heiligen Stadt Jerusalem ausgerichtet. Die Grabsteine bestehen oft aus Sandstein und sind mit jüdischen Symbolen, wie dem Davidstern, versehen. Die Beschriftung der Grabsteine ist seit dem 19. Jahrhundert auf Deutsch und auf der Rückseite des Steins ist der Schriftzug erneut in Hebräisch abgebildet. Ebenfalls lehnt das Judentum Kremationen ab (vgl. ebd.) Aufgrund christlicher Einflüsse entspricht der jüdische Friedhof Suhls nicht vollständig diesen Merkmalen. Nicht alle Toten sind hier Richtung Jerusalem ausgerichtet und ein Großteil der Grabsteine besteht aus schwarzem Granit statt Sandstein. Die Grabsteine sind schlicht gehalten und es sind kaum jüdische Symbole zu finden. Es gibt nur wenige Grabmonumente, eines von ihnen ist z. B. für die Simson-Familie. In dem Grab Emma Rehbocks ist auch eine Urne zu finden. 1976 wurde sie als letzte Person auf dem Friedhof bestattet. Auch auf diesem Friedhof werden, anstelle von Blumen, Steine zu Ehrung der Toten genutzt. Unter den kleinen Steinen sind gelegentlich auch kleine Zettel mit Wünschen oder Gebeten zu finden (vgl. ebd. S. 8). Der Friedhof dient heute als eine wichtige Erinnerungsstätte und wird häufig besucht. Somit wird das Gedenken an die jüdische Geschichte und das Schicksal der jüdischen Gemeinde in Suhl bewahrt. Er dient nicht nur als Friedhof, sondern auch als ein stiller Mahnort, der an die einst vielfältige jüdische Gemeinde erinnert, die durch Verfolgung und Vernichtung ausgelöscht wurde.

Familie Saphra

Die Familie Saphra gehörte zu den jüdischen Familien, die in Suhl lebten und aktiv im städtischen Handel und Gewerbe arbeiteten. 1920 kam der Mediziner Iwan Saphra mit seiner Frau Margarethe Saphra nach Suhl und eröffnete seine erste Praxis als praktischer Arzt. 1929 zogen seine Eltern, Friedrich Saphra und Paula Saphra, ebenfalls nach Suhl. Iwan Saphra besuchte das Königliche Realgymnasium in Annaberg und studierte von 1908 bis 1913 Medizin. Während des Ersten Weltkrieges von 1914 bis 1918 arbeitete er in einem speziellen Seuchenlazarett an der Palästina-Front zur Vermeidung von Ausbreitungen von Krankheiten. Zunächst war er nur als Assistenzarzt aktiv, stieg schließlich aber zum Oberarzt auf. Ende des Krieges geriet Iwan dreizehn Monate lang in englische Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung begab er sich nach Suhl, wo er seine eigene Praxis eröffnete. 1921 bekam er mit seiner Frau Margarethe Saphra einen Sohn, welchen sie Friedrich nannten. 1925 kaufte die Familie Saphra das Haus in der Herrenstraße 22, welches schnell als das Suhler Arzthaus bekannt wurde. Iwan Saphra war ein engagierter Bürger, welcher für den Arbeiter-Samariter-Bund arbeitete, im bürgerlichen Turnverein als Sportarzt und im Vorstand agierte und von 1925 bis 1933 ein Ausschussmitglied des Ärzteverbands Thüringen war (vgl. Stobbe 2017, S. 30–38). Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 änderte sich das Leben der Familie Saphra schlagartig. Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 11. April 1933 schränkte jüdische Ärzte stark in ihrem Berufsfeld ein. Iwan Saphra war aufgrund einer Ausnahmeregelung, dem „Frontkämpferparagraph“, jedoch zunächst von diesem Berufsverbot ausgeschlossen. Dennoch waren die Meinungen der Bürger Suhls zu dem Doktor stark gespalten. Am 30. September 1938 wurde die „Vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ erlassen, wodurch Iwan Saphra seine ärztlichen Tätigkeiten verboten wurden. Vermehrt sahen die Bürger in Suhl den jüdischen Arzt als Feind und trugen ihre Abneigung offen hinaus. Einige verhielten sich jedoch weiterhin freundlich und halfen vereinzelt. Die Familie Saphra begann ihre Ausreise zu planen. Wann genau die Saphras jedoch Suhl verließen, ist unklar (vgl. ebd.) Am 21. September 1939 wurden Iwan Saphra, Margarethe Saphra und ihrem Sohn die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt und das gesamte Vermögen der Familie beschlagnahmt. Am 8. April 1940 entzog die Universität Freiburg Iwan Saphra seinen Doktortitel. 1939 trennte er sich von seiner Familie und floh im Alter von fünfzig Jahren nach Kuba, wo er seine Tätigkeiten als Doktor fortsetzte. Seine Frau Margarethe erhielt zunächst keine Einreisegenehmigung für die USA und musste daher nach England fliehen. 1940 zog Iwan nach New York und 1943 folge Margarethe ihm in die USA. Dort setzte die Familie ihr Leben fort (vgl. ebd.) Iwans Vater, Friedrich Saphra, agierte als Lehrer und Dolmetscher. Friedrich wurde am 5. September 1861 geboren. Er setzte sich deutschlandweit für religiöse Toleranz ein und vertrat eine humanistische, pazifistische Grundhaltung. Am 10. Juni 1932 verstarb er und wurde auf dem jüdischen Friedhof Suhls begraben. Seine Frau, Paula Saphra, geboren am 15. August 1866, verstarb am 22. Dezember 1936 und ruht ebenfalls auf diesem Friedhof (vgl. ebd. S. 39–42)

Kaufhaus „Leschziner“

Das Warenhaus am Markt von Herr Leschziner wurde im frühen 20. Jahrhundert von der jüdischen Familie Brylewski übernommen. In dem Laden wurden Herren- und Jungenkleidung verkauft. 1938 wurde das Kaufhaus auf Anordnung des damaligen nationalsozialistischen Bürgermeisters, Adolf König, geschlossen (vgl. Aderhold et al. 2008, S. 46–48). Die Familie Brylewski zog in den 1920er Jahren nach Suhl. Das Ehepaar Aron Brylewski und Emma Brylewski bekam drei Kinder. Ihr Kaufhaus wurde regelmäßig von den Einwohnern Suhls besucht und besaß eine treue Kundschaft. Neben der Leitung des Kaufhauses war Aron Brylewski auch sozial engagiert. Neben der Unterstützung des jüdischen Lehrers Abraham Levi bei der Leitung des Gottesdienstes, gehörte Aron auch zur Repräsentanz der Synagogengemeinde (vgl. ebd.) Mit der Verbreitung des Nationalismus ab 1933 änderte sich das Leben der Familie Brylewski drastisch. Unter anderem war die Familie aufgrund einer Verordnung von 1938 dazu gezwungen, ihr Vermögen vom Staat erfassen zu lassen. Im gleichen Jahr, in welchem Aron Brylewski sein Kaufhaus schließen musste, wurden die jüdischen Bürger Suhls aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. Das Haus der Familie Brylewski in der Kellerstraße wurde dabei als sog. „Judenhaus“ genutzt, in welches zunächst die jüdischen Familien Mannheimer und Mühlfelder zogen (vgl. ebd.) Aron Brylewski wurde in der Pogromnacht von Nationalsozialsten geprügelt und eingesperrt. Zwar wurde er am folgenden Tag frei gelassen, dennoch setzte sich die Unterdrückung jüdischer Bürger fort. Am 9. Mai 1942 wurden Aron und seine Ehefrau Emma verhaftet und am nächsten Tag mit weiteren Suhler Juden nach Belzec bei Lublin in Polen deportiert und ermordet (vgl. ebd. S. 48). Die Familie Brylewski bildete einen bedeutenden Teil der jüdischen Gemeinde Suhls und hatte einen signifikanten Einfluss auf das städtische Wirtschaftsleben. Zwar existiert das Kaufhaus „Leschziner“ heute nicht mehr als Einzelhandelsunternehmen, jedoch erinnert es weiterhin an das Schaffen der Familie Brylewski sowie ihr Schicksal zur Zeit des Nationalsozialismus.

Kaufhaus Herzberg

1918 zogen Alfred und Margot Herzberg mit ihren zwei Töchtern Erika und Ingelene nach Suhl, wo Alfred zwei Jahre später das Kaufhaus Herzberg am Markt eröffnete. Aufgrund ihres guten Services und dem großen Angebot gewann das Kaufhaus schon bald einen treuen Kundenstamm. Als jedoch der Boykott jüdischer Geschäfte begann, war die Familie dazu gezwungen, ihr Kaufhaus im Jahr 1937 an „arische Hände“ zu übergeben. Während ihrer Zeit in Suhl wohnte die Familie in einer kleinen Villa am Bahnhof und Alfred Herzberg engagierte sich für die jüdische Gemeinde in Suhl. Ihr Kaufhaus verfügte über mehrere Etagen und zwei Eingänge. 1930 feierte die Familie das 10-jährige Jubiläum des Geschäfts und wurde im Henneberger Kreisblatt für Eigenschaften wie ihre „Arbeitsfreudigkeit“ oder den „Beispiellosen Aufschwung“ gelobt. Das Kaufhaus der Herzberger wurde in Suhl sehr geschätzt und die Familie war gut angesehen, sie ließen auch Ratenzahlung zu, und wurden somit zum „ersten Haus am Platze“. Erst mit dem Machtantritt Hitlers schien sich dies zu ändern. Die meisten Suhler Einwohner hielten sich zunächst nicht an den deutschlandweit ausgerufenen Boykott, doch als SA-Männer begannen, sich vor dem Herzberger Kaufhaus zu positionieren und die Menschen zu fotografieren, welche darin einkauften, begannen immer weniger Suhler den Laden zu besuchen. Ein Kaufmann namens Horn aus Halle kaufte daraufhin das renommierte Haus und die Familie Herzberg zog nach Berlin in die Bayrische Straße 10. In ständiger Angst lebten Margot und Alfred Herzberg nun in der Hauptstadt. Sie hatten ihre zwei Töchter bereits an ein Kinderheim abgegeben, einen Auswanderungsantrag gestellt und warteten sehnsüchtig darauf, ihre Pässe zu erhalten. Doch mit der Pogromnacht 1938 sollten diese Hoffnungen zerstört werden. SA-Männer drangen nachts in das Haus der Herzberger ein, verwüsteten dies und erschossen die Brüder von Alfred Herzberg vor den Augen Erikas. Daraufhin wurde Alfred zusammen mit vielen anderen Berliner Juden in das Konzentrationslager Dachau gebracht, wo er grausam misshandelt wurde. Mit der Maßgabe aus Deutschland auszuwandern wurde Alfred letztendlich entlassen, doch starb er wenige Monate darauf an einem Herzschlag. Nun liegt er auf dem Friedhof „Weißensee“ begraben. Sechs Monate später endlich gelang es Margot Herzberg und ihren Kindern, Deutschland zu verlassen. Auf einem italienischen Schiff flohen sie nach Chile, wo Margot Herzberg zunächst als „Kinderfräulein“ arbeitete, und später eine Konditorei eröffnete. Ihre Töchter erlernten das Handwerk des Fotografen und der Schneiderin und Margot heiratete wieder, woraufhin sie Frau Wallach hieß. Auch ihre Töchter heirateten und Ingelene zog nach Israel. Erika Herzberg arbeitete als Bekleidungsvertreterin und bekam selbst zwei Kinder: einen Sohn und eine Tochter. Im Jahr 1996 besuchte Erika im Rahmen eines Klassentreffens ihre Heimatstadt Suhl und berichtete in der Thüringer Allgemeinen am 14. September 1996 davon, wie unwohl sie sich dabei gefühlt habe, nach Suhl zurückzukehren, und dass sie eigentlich nie wieder zurückkehren wollte. Doch trotz ihrer Bedenken wurde sie freundlich aufgenommen und hatte eine gute Zeit in Thüringen (vgl. Aderhold et al. 2008, S. 35ff.) Während ihrer Zeit in Suhl wohnte die Familie in einer kleinen Villa am Bahnhof und Alfred Herzberg engagierte sich für die jüdische Gemeinde in Suhl. Ihr Kaufhaus verfügte über mehrere Etagen und zwei Eingänge. 1930 feierte die Familie das 10-jährige Jubiläum des Geschäfts und wurde im Henneberger Kreisblatt für Eigenschaften wie ihre „Arbeitsfreudigkeit“ oder den „Beispiellosen Aufschwung“ gelobt. Das Kaufhaus der Herzberger wurde in Suhl sehr geschätzt und die Familie war gut angesehen, sie ließen auch Ratenzahlung zu, und wurden somit zum „ersten Haus am Platze“. Erst mit dem Machtantritt Hitlers schien sich dies zu ändern. Die meisten Suhler Einwohner hielten sich zunächst nicht an den Deutschlandweit ausgerufenen Boykott, doch als SA-Männer begannen sich vor dem Herzberger Kaufhaus zu positionieren und die Menschen zu fotografieren, welche darin einkauften, begannen immer weniger Suhler den Laden zu besuchen. Ein Kaufmann namens Horn aus Halle kaufte daraufhin das renommierte Haus, und die Familie Herzberg zog nach Berlin in die Bayrische Straße 10. In ständiger Angst lebten Margot und Alfred Herzberg nun in Berlin. Sie hatten ihre zwei Töchter bereits an ein Kinderheim abgegeben, einen Auswanderungsantrag gestellt, und warteten sehnsüchtig darauf, ihre Pässe zu erhalten. Doch mit der Pogromnacht 1938 sollten diese Hoffnungen zerstört werden. SA- Männer drangen nachts in das Haus der Herzberger ein, verwüsteten dies und erschossen die Brüder von Alfred Herzberg vor den Augen Erikas. Daraufhin wurde Alfred zusammen mit vielen anderen Berliner Juden in das Konzentrationslager Dachau gebracht, wo er grausam misshandelt wurde. Mit der Maßgabe, aus Deutschland auszuwandern, wurde Alfred letztendlich entlassen, doch starb wenige Monate darauf an einem Herzschlag. Nun liegt er auf dem Friedhof „Weißensee“ begraben. Sechs Monate später gelang es Margot Herzberg und ihren Kindern endlich, Deutschland zu verlassen. Auf einem italienischen Schiff flohen sie nach Chile, wo Margot Herzberg zunächst als „Kinderfräulein“ arbeitete, und später eine Konditorei eröffnete. Ihre Töchter erlernten Fotografin und Schneiderin und Margot heiratete wieder, woraufhin sie Frau Wallach hieß. Auch ihre Töchter heirateten und Ingelene zog nach Israel. Erika Herzberg arbeitete als Bekleidungsvertreterin und bekam selbst zwei Kinder: einen Sohn und eine Tochter. Im Jahr 1996 besuchte Erika im Rahmen eines Klassentreffens ihre Heimatstadt Suhl und berichtete in der Thüringer Allgemeinen am 14.09.1996 davon, wie unwohl sie sich dabei gefühlt habe, nach Suhl zurückzukehren, und dass sie eigentlich nie wieder zurückkehren wollte.

Familie Nußbaum

Isaac Nußbaum wurde 1866 in Mansbach im Landkreis Hünfeld geboren. Mit seiner Frau Pauline Nußbaum (ehemals Schwarz), welche er im Jahr 1894 in Hersbruck (Bayern) heiratete, hatte er fünf Kinder: Johanna, Karl, Herbert, Margarete und Else. Isaac Nußbaum besaß einen Ledergroßhandel in der Mühltorstraße 8. Als er diesen später aufgeben musste, übernahm er einen Schuhhandel in der Herrenstraße 17. Auch Isaac Nußbaum und seine Familie blieben von der Demütigung und Entrechtung der Nationalsozialisten nicht unverschont, weswegen sich Isaac Nußbaum am 02. Juni 1942 das Leben nahm. Pauline Nußbaum verstarb 1937 in Suhl. Aufgrund des Schnellbriefes des Reichswirtschaftsministers, in welchem angeordnet wurde: „Juden müssen endgültig ab 01.01.1939 als Unternehmer aus dem Einzelhandel, dem Handwerk und dem Marktverkehr ausscheiden“ musste das Geschäft in der Herrenstraße 17 abgemeldet werden. Karl Nußbaum führte ebenfalls einen Ledergroßhandel in der Bahnhofstraße 23. Er wurde im Jahr 1938 nach Buchenwald gebracht und 1942 nach Polen deportiert, wo er noch im selben Jahr am 31. Juli 1942 im Alter von 40 Jahren ermordet wurde. In einem Transportbefehl im Mai 1942 wurden die jüdischen Einwohner der Stadt Suhl endgültig „für einen Umsiedlungstransport vorgesehen“ (Aderhold et al. 2008, S. 34). Diese Nachricht konnten sehr viele Suhler Juden nicht verkraften, und wählten den Freitod. Dies tat auch Isaac Nußbaum. Die genauen Umstände seines Todes sind jedoch noch zweifelhaft und ungeklärt. Sein Sohn Herbert Nußbaum emigrierte und wurde zuletzt in Palästina gesehen, seine älteste Tochter Johanna Nußbaum wurde nach Belzec deportiert. Seine beiden jüngeren Töchter Else und Margarete Nußbaum sind verschollen (vgl. ebd.)

Dr. Fritz Siegfried Marcus

Dr. Fritz Siegfried Marcus wurde am 31. August 1889 in Südthüringen geboren und verbrachte den Großteil seines Lebens in Suhl. Vor dem Ersten Weltkrieg lernte er seine spätere Frau Erika, geborene Laves, kennen. Er besaß eine Zahnarztpraxis in der Bahnhofstraße 17a. Bis zum Jahre 1933 war Dr. Marcus unter Mitbürgern und Kollegen sehr gut angesehen. Nach der Machtübernahme Hitlers änderte sich dies jedoch. In der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 drangen SA-Männer in sein Haus ein und verhafteten Dr. Marcus, welcher daraufhin zusammen mit weiteren inhaftierten nach Buchenwald gebracht wurde (vgl. Aderhold et al. 2008, S. 19f.) Da Dr. Fritz Siegfried Marcus ein Mann mittleren Alters war, welcher eine ärztliche Ausbildung besaß, wollte und musste er Deutschland im Ersten Weltkrieg an vorderster Front unterstützen. Dort half er vielen Soldaten mit seinem medizinischen Wissen und kämpfte auch selbst. Er kehrte stark verletzt aus dem Krieg zurück und galt von da an als schwer beschädigt. Jedoch konnte er seinem Beruf als Zahnarzt weiterhin nachgehen, da er Einschüsse im Bein und in der Unterleibsgegend erlitt. Durch seine jüdischen Eltern wuchs auch Dr. Marcus mit dem jüdischen Glauben auf. Seine Frau Erika hingegen war evangelischen Glaubens, weswegen er ihr zuliebe seinen Glauben wechselte. Trotzdem vergaß er nie seine jüdischen Wurzeln. Ab dem Jahre 1933 begannen sich Gerüchte um seine Zahnarztpraxis und ihn zu häufen. Auch Neid unter NSDAP-Mitgliedern der Zahnärztegesellschaft wurde aufgrund seiner erfolgreichen Zahnarztpraxis deutlich. Bis zum Jahre 1936 kamen immer weniger Patienten zu ihm. Es verschlimmerten sich die Gerüchte und schädigten den Ruf seiner Praxis enorm. Obwohl die Thüringer Zahnärztegesellschaft Dr. Marcus von allen Anschuldigungen freisprach, besuchten immer weniger Patienten seine Praxis, was langfristig den wirtschaftlichen Ruin für ihn bedeutete. Als SA-Männer in der Pogromnacht in sein Haus eindrangen, holten sie ihn aus seiner Wohnung, stießen ihn die Treppe hinunter und versprügelten ihn. Dies geschah trotz des Wissens der SA-Männer, dass Dr. Marcus aufgrund seiner schweren Kriegsverletzungen stark eingeschränkt war (vgl. ebd.) In Buchenwald kam es am 12. Dezember1938 zu einem Entlassungsgespräch, welches durch die großen Bemühungen seiner Frau Erika ermöglicht wurde. In diesem Gespräch wurde verdeutlicht, dass Deutschland trotz seiner Dienste im Ersten Weltkrieg nicht sein Vaterland sei, und er nur entlassen werden würde, wenn er sofort aus Suhl verschwand. Er willigte ein und wurde entlassen. Jedoch entschied er sich dazu, zurück nach Suhl zu seiner Frau zu kehren und seiner Tätigkeit als Zahnarzt weiter nachzugehen. Dr. Marcus hatte zuvor den religiösen Glauben seiner Frau angenommen, weswegen er sich nicht betroffen sah, als am 17. Januar 1939 verkündet wurde, dass es Juden untersagt sei, Heilberufe auszuüben. Daraufhin wurde er im Februar erneut verhaftet und erneut wurde von ihm gefordert, Deutschland zu verlassen. Die Gestapo drohte ihm auch mit Gewahrsam und Deportation, wenn er seinen Besitz nicht verkaufen und Deutschland verlassen würde. Während Dr. Marcus im Gefängnis war, verkaufte seine Frau Erika die Zahnarztpraxis an NSDAP-Mitglieder der Zahnärztegesellschaft und ihr gemeinsames Haus an einen befreundeten Fleischer. Sie organisierte die Ausreise und Mitte 1939 emigrierte die Familie in eine kleine Stadt namens Bussum, in den Niederlanden. Dort verweilten sie über den Zweiten Weltkrieg und im Jahr 1946 wurde ein von Dr. Marcus gestellter Antrag auf Rückerstattung aller zwangsverkauften Besitztümer genehmigt. Er und seine Frau kehrten jedoch trotz eines Antrages aus Wiederaufnahme nie zurück nach Suhl und die Familie verbrachte wohl den Rest ihres Lebens in Bussum (vgl. ebd.)

Familie Goldmann

Am 29. Juli 1855 wurde Isaac Goldmann in Marisfeld geboren. Er heiratete Henriette Heilbrunn und beide hatten drei Kinder: Clothilde Goldmann, Bertha Goldmann und Henriette Goldmann. Bertha starb bereits im Alter von zwei Jahren, und Henriette im Alter von einem Monat. Der Tod von Frau Henriette ist unklar, jedoch ist anzunehmen, dass sie an den Folgen der Geburt ihrer jüngsten Tochter starb. 1890 ging Isaac Goldmann eine zweite Ehe mit Adele Hendle aus Fürth ein. Zusammen hatten sie in Suhl fünf Kinder und Adele nahm Clothilde aus erster Ehe auf. Die Familie wohnte bis in die 1930er Jahre in der Kellerstraße 6 und besaß eine Kohle und Baumaterialhandlung in der Bahnhofstraße 25. Am 22. März 1925 verstarb Isaac Goldmann und überließ die Kohlehandlung seiner Frau und Familie. Einige seiner Kinder emigrierten während der Nazi-Zeit, während andere in Suhl blieben (vgl. Aderhold et al. 2008, S. 51–54). Aus Isaac Goldmanns Ehe mit Adele Goldmann gingen die Kinder Martin Goldmann, Siegfried Goldmann, Julius Goldmann, Isabella Goldmann und Fritz Goldmann hervor. Der älteste Sohn Martin (geb. 1891) heiratete eine Flau namens Irma Lubinski und wanderte während der Zeit des Nationalsozialismus zusammen mit ihr nach Amerika aus und wohnte dort in New York. Der zweitälteste Sohn Siegfried (geb. 1892) heiratete Lilli Sander und beiden gelang es zunächst nach Großbritannien und später in die USA auszuwandern. Julius (geb. 1896) verstarb im Lazarett in Frankfurt am Main im Jahr 1918, nachdem er als Soldat im Ersten Weltkrieg kämpfte und verwundet wurde. Isabella Goldmann (geb. 1903) heiratete den Kaufmann Hans Meyer. Auch ihr gelang es nach Großbritannien zu emigrieren (vgl. ebd.) Fritz (geb. 1905) studierte Anfang der dreißiger Jahre, nach seiner Schulzeit in der kaiserlichen Oberrealschule, dem heutigen Staatlichen Gymnasium, Kunst in Berlin und Bonn. Er promovierte als einer der letzten jüdischen Bürger in Deutschland, bevor er nach Palästina auswanderte, wo er ab 1947 in Haifa lebte. Dort leitete er ein Museum in Jerusalem. Im Jahr 1993 besuchte Fritz Suhl erneut, um sein Elternhaus wieder zu sehen. Adele Goldmann und Clothilde blieben beide in der Kellerstraße 6 wohnen und führten die Kohlehandlung zunächst mit der Unterstützung von Siegfried weiter. Alexander Gerbig war ein gut angesehener Künstler zu dieser Zeit und eng mit vielen jüdischen Familien befreundet. So auch mit der Familie Goldmann. Seine Achtung und Verbundenheit mit der jüdischen Bevölkerung Suhls spiegelte sich in vielen seiner Gemälde wider. Immer wieder versuchte er vergebens, Adele Goldmann zu überreden, auch ins Ausland zu gehen. Sie hingegen war zu dieser Zeit schon sehr alt und zweifelte an, dass ihr etwas passieren könnte. Diese Annahme wurde jedoch im Jahr 1938 widerlegt, als Nationalsozialisten Adele um ihr Hab und Gut brachten. Ihr gemeinsames Haus in der Kellerstraße wurde arisiert und Clothilde und Adele mussten in das Haus der Sanders in der Herrenstraße zeihen. Dort erhielt Clothilde 1942 die Aufforderung, sich an der Sammelstelle in der Hohelohstraße einzufinden, von wo aus sie kurze Zeit später nach Belzec deportiert wurde und dort starb. Die fast 80-jährige Adele war unter den letzten Juden, welche im September 1942 aus Suhl in Vernichtungslager deportiert wurden. Am 20. September 1942 wurde sie unter der Transportnummer XVIII 856 nach Theresienstadt gebracht und starb dort nur zehn Tage später (vgl. ebd.)

Abraham Levi

Abraham Levi wurde am 13. August 1857 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Braunschweig geboren. Er heiratete 1885 Deborah Levi, eine Frau aus einer kleinen jüdischen Gemeinde, in Meiningen. Das Paar wohnte spätestens ab 1887 in Suhl, wo am 28. Februar 1887 ihre gemeinsame Tochter Jenni Levi geboren wurde und am 27. Februar 1891 ihr Sohn Max Levi. Die Familie wohnte zunächst in einer Wohnung in der Stadelstraße, zog aber später in eine Wohnung in der Schillingstraße, heutige Riemenschneidstraße, um. Abraham Levi übte in Suhl den Beruf eines jüdischen Lehrers und Predigers aus. Er unterrichtete einmal in der Woche jüdische Kinder an einer religionsschule in Hebräisch und Geschichte des jüdischen Volkes. Jenni heiratete im Jahr 1907 Hermann Rosenbaum und hatte zusammen mit ihm eine Tochter namens Ruth Rosenbaum (geb. 1908), bevor sie sich 1912 scheiden ließen. Die Wohnung der Familie in der Schillingstraße war in unmittelbarer Nachbarschaft zu anderen jüdischen Familien. Abraham war Mitglied im Gewerbeverein Suhl, welcher 1914 circa vierhundert Mitglieder besaß, von denen die meisten Nichtjuden waren. Im Verein knüpfte er vermutlich viele Freundschaften und Bekanntschaften und beteiligte sich an gemeinsamen Aktivitäten. Zudem pflegte die Familie Levi auch Freundschaften mit anderen jüdischen Familien wie beispielsweise der Familie Sanders. Abraham Levis Plichten, neben dem Unterrichten jüdischer Schüler, waren es auch, Gottesdienste durchzuführen. Auch an der Einweihung der Suhler Synagoge am 07. August 1906 wirkte Levi mit. Die jüdische Gemeinde hatte lange auf diesen Tag hingearbeitet und der Suhler Bürgermeister wünschte sich laut der Hennerberger Zeitung, dass „der Frieden zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften, wie es in Suhl der Fall ist, daß dies stets der Fall sein möge.“ (Aderhold et al. 2008, S. 51–54). Bei den Gottesdiensten halfen Abraham Levi häufig Männer wie Daniel Nußbaum, Herr Wolf und Herr Brylewsky. Eine weitere seiner Aufgaben lag darin, Mädchen und Jungen auf ihre Bar-Mizwa, bzw. Bath Mizwa vorzubereiten. Dies ist eine synagogale Feier, mit welcher die Jungen an ihrem 13. Geburtstag und die Mädchen an ihrem 12. Geburtstag als religionsmündige Mitglieder der Gemeinde aufgenommen werden. Die Vorbereitungen auf diesen Tag fanden meist in Form eines ein- bis zweimal wöchentlichen Privatunterrichtes in Abraham Levis Wohnung statt. Ende 1937 ging Levi im Alter von 80 Jahren in den Ruhestand. Die Familie Levi war eine der ersten jüdischen Familien, welche von den judenfeindlichen Gesätzen des Nationalsozialismus betroffen war. Max Levi arbeitete als Mittelschullehrer und wurde 1933 auf Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen. Die zunehmende Ausgrenzung und Diskriminierung führten dazu, dass die Suhler Juden immer weniger Kontakt zu nichtjüdischen Mitbürgern pflegten. Über die Zeit verlor Levi seine nichtjüdischen Freunde und nachdem der Mieterschutz für Juden 1939 aufgehoben wurde und die Familie in die Judenhäuser ziehen musste, verlor er auch die letzten Kontakte zu Nichtjuden. Die Familie Levi zog zusammen mit vielen anderen jüdischen Familien in die Villa der Familie Brylewsky in der Kellerstraße 4. Dort verstarb Abraham Levi am 28. September 1940 an einem Herzschlag und wurde wenig später ohne Grabstein auf dem jüdischen Friedhof bestattet. Seine Frau Deborah und ihre Tochter Jenni wurden daraufhin mit dem letzten „‚Umsiedlungstransport‘“ (Aderhold et al. 2008, S. 51–54) nach Theresienstadt deportiert. Dort verstarb Deborah und ihre Leiche wurde im Krematorium verbrannt. Jenni hingegen wurde von Theresienstadt nach Auschwitz oder Treblinka deportiert und wurde dort in einer Gaskammer ermordet. Max Levi und Jennis Tochter Ruth Rosenbaum gelang es, nach Amerika zu emigrieren. Beide lebten von dort an in Amerika. Max Levi hatte die Intension, nach Suhl zurückzukehren, um das Grab seines Vaters herzurichten, tat dies jedoch nie (vgl. ebd.)

Judenhaus

In der Kellerstraße 4 befindet sich die ehemalige „Sander-Villa“, welche ab 1939 als „Judenhaus“ galt. Also ein Haus, wo viele Juden auf engem Raum zusammenleben mussten. Dort wurden sie gelegentlich Opfer von Schikanen von vorbeikommenden SA-Mitgliedern. Das Haus in der Kellerstraße 4 hatte lange der jüdischen Familie Sander gehört. Aus diesem Grund ist die Villa als „Sander-Villa“ bekannt. Nach dem Tod des Familienoberhauptes der Sanders verkauften die Hinterbliebenen das Haus an eine andere jüdische Familie, die Brylewskis. „Die Villa war also in jüdischem Besitz geblieben“ (Stobbe 2017, S. 64). Da die Villa sehr groß war, wurden einzelne Bereiche von den Brylewskis, bevor die Villa ab 1939 als „Judenhaus“ galt, vermietet. Einer der Mieter war der Suhler Amtsarzt Dr. Hahn von 1932–33 (vgl. ebd. S. 65). In der Suhler Geschichte zur NS-Zeit, spielte er eine bedeutende Rolle. Neben seiner Tätigkeit als Arzt, war er für das Sterilisieren derjenigen zuständig, die vom NS-Staat als „erbunwürdig“ gehalten wurden: „körperliche und geistig Behinderte, Epileptiker, Alkoholkranke“ (ebd.). Die Entscheidung, wer sterilisiert wurde, wurde nicht von Richtern, sondern von Ärzten getroffen. Dr. Hahn hat 59 Vordruckzettel unterschrieben, die Betroffene und deren Angehörige über den Ort und Zeitpunkt des Eingriffes informierte. Nach 1933 zog Dr. Hahn aus der Villa aus, da es seinem Ansehen als Amtsarzt geschadet hätte, wenn die Leute gewusst hätten, dass er bei Juden lebte (vgl. Stobbe 2017, S. 65). Am 30. April 1939 wurde der Mieterschutz für Juden aufgehoben. „Juden wurden gezwungen, in sogenannte ‚Judenhäuser‘ zu ziehen, d. h. Häuser, in denen Juden zusammen wohnen mußten“ (Nothnagel 1995, S. 87). Ab 1939 galt die „Sander-Villa“ als „Judenhaus“ und musste als solches gekennzeichnet werden. Laut Erinnerungen von Zeitzeugen, die damals in einem benachbarten Haus wohnten, lebten dort mitunter 30, 40 Personen, mehrere Familien je in einem Raum des Hauses. Zu diesen Familien gehörten z. B. die Mühlfelders, die Mannheimers und die Levis. Die „Sander-Villa“ wurde zu einer Art Ghetto (vgl. ebd.) Das „Judenhaus“ in der Kellerstraße 4 befand sich wenige Meter entfernt von dem „Sängerhaus“. In diesem Gasthaus trafen sich regelmäßig SA-Leute und NSDAP-Anhänger, deren Anführer einige Straßen weiter in der Trübenbachstraße wohnte. Da ihr Heimweg am „Judenhaus“ vorbeiführte, kam es gelegentlich dazu, dass sie in das Haus gingen, um die darin lebenden Juden zu demütigen und zu verprügeln (vgl. ebd., S. 66). Ein Nachbar erzählte, dass sie es „[für recht hielten], in dem Haus ein Schwein zu schlachten, ein Tier, das den Juden für unrein gilt. Damit sich die Bewohner auch richtig gedemütigt fühlten, mussten sie die Türen offenlassen, damit der Geruch durchs ganze Haus ziehen konnte. Es war ein Leben in ständiger Angst.“ (ebd.)

Die Sanders, ihr Geschäft und ihr Schicksal

Die jüdische Familie Sander, welche aus den Eheleuten Isidor und Meta Sander und ihren drei Kindern bestand, hatten ein Geschäft im Erdgeschoss des sogenannten „Rokokohauses“ im Steinweg 26. Sie waren in der Gemeinde sehr engagiert und wurden als hilfsbereit beschrieben. Trotz einem Aufeinanderstoßen mit der Gestapo konnten sich alle Kinder der Sanders in Sicherheit vor der Deportation bringen. Meta und Isidor starben beide 1936. In der Etage über dem Geschäft wohnte die Familie selbst und im zweiten Stockwerk lebte die Familie Rehfeldt, welche nicht jüdisch war. Einige Details dieser Zeit beruhen auf Erinnerungen der Tochter der Rehfeldts. Isidor Sander (1881–1936) und seine Frau, Meta Sander (1887–1936), waren in der jüdischen Gemeinde Suhls sehr aktiv. Meta Sander war die Vorsitzende des israelischen Frauenvereins, der aus ihr und fünf weiteren bestand. Isidor Sander engagierte sich im Synagogenvorstand. Die Sanders galten als sehr sozial und hilfsbereit. Ihre Hütte stellten sie anderen Gemeindemitgliedern zur Verfügung. Wenn Suhler Bürger Sorgen und Nöte hatten, „hatten sie immer ein offenes Ohr“ (Aderhol et al. 2008, S.22). Die Tochter der Familie Rehfeldt berichtete von der Zeit als ihre Mutter schwer krank war und keine Krankenversicherung bestand. Frau Sander holte Dr. Saphra und bezahlte ihn (vgl. ebd.) Die Familie Sander schickte ihre Tochter Helene 1932 nach England, wo sie ihre Sprachkenntnisse verbessern sollte. „Diese Entscheidung rettete ihr wohl das Leben“ (ebd.) Helene Sander kam zurück nach Suhl, als Meta Sander todkrank war. Während Helenes Besuch kam die Gestapo zu den Sanders, da sie Helenes Briefe an ihre Eltern abgefangen hatten, die „kritische Äußerungen über die nationalsozialistische Herrschaft“ (ebd., S.23) beinhalteten. Helene berichtete, dass die Gestapo die Briefe mitgebracht und die „kritischen Äußerungen“ (ebd.) rot angestrichen hatten. Helene wurde von Meta Sander „gerettet“ indem sie ihr eine „schallende Ohrfeige“ verpasste und „ihr verbot, je wieder so etwas zu äußern“ (ebd.) Daraufhin reiste Helene am nächsten Tag wieder nach England (vgl. ebd.) Im April 1936 starb die erkrankte Frau Sander. Isidor Sander lebte lediglich weitere drei Monate. Zu dieser Zeit wurde z. B. ein großer Galgen auf einem Wagen durch den Steinweg gefahren, an dem Puppen hangen. SA-Männer riefen: „hängt die Juden, stellt die Ketzer an die Wand“ (ebd.). „Der schwere Verlust oder die schwere Zeit, die für die jüdischen Bürger auch in Suhl gekommen war“ (ebd.) bereiteten Isidor Sander Probleme. Im Juli 1936 beging Isidor Sander Suizid. Daraufhin lebte die Tochter Ilse Sander in der Kaleyßstraße 6 (heute Friedensstraße) (vgl. ebd.) Ihr Vormund war Hugo Rehbock, der die Shoa überlebte, da seine Frau „Nichtjüdin“ war und ihn so „vor der Deportation bewahrte“ (ebd.). Der Sohn der Sanders, Helmut, heiratete 1938. 1939 wanderten Ilse und Helmut Sander aus und Ilse starb 1997 in England. Helmut war einige Zeit in Israel als Architekt tätig. 1942 kam Helmuts erster Sohn zur Welt. Sein zweiter Sohn wurde 1953 geboren. Die Familie zog 1948 nach Los Angeles. Helmut Sander starb 2002 (vgl. ebd.)

Käthe Sander (1900–1943)

„Käthe Sander war eine der jüdischen Lehrerinnen, die von dem ‚Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums‘ vom 7. April 1933 betroffen war“ (Nothnagel 1995, S.16). Das Gesetz besagte, dass alle Juden aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen waren. Ihr Kind, welches sie mit einem „Nicht-Juden“ gezeugt hatte, konnte unbeschwert und in Sicherheit vor den Nationalsozialisten aufwachsen, wohingegen Käthe und ihre Schwester nicht verschont geblieben sind. Käthe Sander stammte aus „gutem Haus“, da ihr Großvater Louis Sander in Suhl eine Privatbank gegründet hatte, aus der später die Schwarzburgische Landesbank wurde, welche Käthes Vater Karl übernommen hatte. Karl wohnte mit seiner Frau Hedwig und den sechs Kindern in einer Stadtvilla in der Kellerstraße 4. „Dort wuchs Käthe mit vier älteren Schwestern und einem jüngeren Bruder auf“ (ebd., S.17). In den Aufzeichnungen ihrer Schwester Hilde, wird Käthe als Linkshänderin, unordentlich, humorvoll und gutmütig beschrieben. Käthe besuchte die Volksschule, wurde in Berlin an einem Krankenhaus zur „Säuglingsschwester“ (ebd.) ausgebildet und lernte an der Massage-Schule der Charité weiter. „Gut ausgebildet kam Käthe Sander nach Suhl zurück, als einzige der Sander-Töchter; die anderen waren verheiratet und in alle Welt zerstreut“ (ebd.). Karl Sander starb 1926. Hedwig Sander musste erst Teile der Villa vermieten und verkaufte sie dann 1929 an die Familie Brylewski. Daraufhin zog Käthe Sander in eine Wohnung im Steinweg 20. „Im Telefonbuch warb sie mit ihren Kenntnissen und der Krankenkassenzulassung. Ab wann sie Sportlehrerin an der Oberrealschule wurde, war nicht herauszufinden“ (ebd., S.18). Käthe Sander arbeitete stundenweise als Sportlehrerin für die Mädchen der Oberrealschule. Zum Zeitpunkt ihrer Entlassung aufgrund des Berufsverbots war sie 32 Jahre alt und erwartete ihr erstes Kind (vgl. ebd.) Der Vater des Kindes war ein „arischer“ Schutzpolizist, der auch wenn er Käthe geliebt hat, seine Karriere nicht für eine Jüdin riskieren wollte. Im Frühsommer 1933 ging Käthe zu ihrer Schwester nach Amsterdam, wo ihr Sohn Hans zur Welt kam. Käthe gab ihr Kind in ein Heim. „So furchtbar für den Jungen eine Kindheit im Heim ohne die Mutter gewesen sein mag- seine jüdische Herkunft wurde ihm nicht zum Verhängnis; er konnte überleben“ (ebd.) 1943 wurden Käthe Sander und ihre Schwester Doris Gutmann in Amsterdam von Nazis entdeckt und starben am 18. Mai im Vernichtungslager Sobibor (vgl. ebd.)

Die „Arisierung“ der Friedmanns

Der Familie Friedmann gehörte eine erfolgreiche Fleischerei und ein Viehhandel. Auch sie waren 1939 von der „Arisierung“ bzw. der sogenannten „Entjudung“ von Unternehmen betroffen. 1942 drängten Gestapo-Beamte die Familie zum Verlassen der Stadt Suhl. Das Schicksal der Familienmitglieder verlief sehr unterschiedlich. Max Friedmann, der Fleischer und Viehhändler, „genoß in Heinrichs wie auch in den Nachbarorten einschließlich der Stadt Suhl einen guten Ruf“ (ebd., S. 82) Ein Schulfreund von Friedmanns Sohn Kurt, namens Walther Wolf, berichtete, dass die Friedmanns „einen sich ständig durch Ver- und Neukauf ergänzenden Bestand von 40 bis 60 Rindern, in Spitzenzeiten auch mehr“ (ebd.) hatten und dass das Geschäft gut und preisgünstig war. Andere Familien erinnerten sich, dass die Friedmanns, als viele Familienväter arbeitslos waren, für die Leidenden eine große Hilfe waren. Er stellte nicht nur eine große Menge Geld, die er als „Winterhilfe“ bezeichnete zur Verfügung, sondern übergab mithilfe der „Armenkommission“ Gutscheine an Bedürftige. Gegen Abgabe dieser von Friedmanns Stempel legitimierten Zettel, bekam man kostenlose Wurst- oder Fleischsuppe. Laut Walther Wolf herrschte im Laden sowie in den Verarbeitungsräumen größte Sauberkeit (vgl. ebd.) Auch in Suhl konnte man Bestellungen für Friedmanns Fleischprodukte aufgeben. So wurde Friedmanns Geschäft zu einem wichtigen Punkt der Versorgung für Heinrichs und Suhl. Dieser wichtige Versorgungspunkt, wurde im Rahmen der „Arisierung“ nach dem „Entweder-oder-Prinzip“ „entjudet“. Max Friedmann wurde „zur Aufgabe und zum Verkauf seines Geschäftes genötigt“ (ebd., S.83). Da die Familie auch nicht im Geschäfts- und Wohnhaus geduldet wurde, „kaufte Familie Friedmann das städtische Grundstück in der Meininger Straße 96 zur letzten und kurzen Lebensstation in Deutschland“ (ebd.) Am 20. September 1942 wurde den Friedmanns von einem Gestapo-Beamten klargemacht, dass sie Suhl sofort verlassen müssen. Bei diesem Besuch des Gestapo-Beamten Reese, wurde Max Friedmann, laut den Zeitzeugen Jürgen Conrad u. Frau Greifzu „gehunfähig geschlagen und danach auf einem Tafelwagen zur Transportsammelstelle gekarrt, wobei ihm ein Schild um den Hals gehängt wurde mit der Aufschrift: ‚die letzten Juden Verlassen Suhl‘!“. Für ihn und 11 weitere jüdische Suhler war Theresienstadt die „Endstation“, wo auch seine Tochter Marthe und ihr Ehemann den Tod fanden. Seine andere Tochter Grete lebte 1946 in Haifa, „wo sie mit ihrem Mann eine Fleischerei betrieb“ (ebd.) Drei der Söhne konnten nach Australien fliehen. Max Friedmanns Frau Selma überlebte Theresienstadt. Einige ihrer Briefe wurden im Suhler Stadtarchiv aufbewahrt. In einem dieser Briefe, den sie 1946 aus einem Altersheim in Frankfurt am Main schrieb, berichtet sie: „Wir, mein Mann und ich, sind am 20. 9. 1942 nach Theresienstadt verschickt worden. Mein Mann hat dort nur noch acht Tage gelebt (vgl. ebd.) Herr Reese von der Gestapo Suhl hat ihn vor der Abreise nicht gut behandelt und ihn gewaltsam aus unserem Haus, dem früher Hunneshagenschen entfernt…“ (Stadtarchiv Suhl: Brief an Selma Friedmann, Akte Signum 3.1.2.4.76).

Dr. med. Max Levy Suhl

Max Levy-Suhl war ein „weit über die Grenzen seiner Heimatstadt [bekannter]“ (Hermanns et al. 2016, S.49) Nervenarzt und Psychotherapeut. Levy-Suhls wissenschaftliche Lebenswerk umfasste ein breites Spektrum. Im Zeitraum von 1904 bis 1945 ließen sich 41 Publikationen nachweisen. 1933 gelang es ihm vor dem Nazi-Regime in die Niederlande zu fliehen und dort mit Frau und Kind, weiterhin erfolgreiche medizinische Arbeiten zu verrichten. 1947 beendete er sein Leben durch Suizid. Er war eins von vier Kindern des Ehepaars David und Regina Levy. Am 14. April 1876 wurde er als drittes Kind der Kaufmannsfamilie Levy im elterlichen Wohnhaus Nr. 106-108 im 2. Stadtbezirk „in der langen Brücke“ geboren (vgl. ebd., S. 24). Auf das Leben der Eltern und der drei Brüder von Max Levy-Suhl, wird im Folgenden nicht genauer eingegangen. „Die Erinnerung an die Nachfahren der jüdischen Kaufmannsfamilie David und Regina Levy aus Suhl, speziell für die Zeit nach 1930, [ist] bis in die jüngste Zeit hinein auffallend verblasst. Dies gilt mit gewissen Einschränkungen auch für Max Levy-Suhl selbst, den ‚Prominentesten‘ dieser Familie, der mit seinem Namen das Andenken an seine Geburtsstadt in die Welt der Wissenschaft getragen hat“ (ebd., S. 24). Die Schicksale und die ihrer Familien sind geprägt von „Ausgrenzung, Bedrohung, Entrechtung und Beraubung, denen jüdische Mitbürger in der Zeit des Nationalsozialismus ausgesetzt waren“ (ebd., S. 24f.) Sie waren von der „Zerstörung beruflicher und sonstiger wirtschaftlicher Existenzgrundlagen, von erzwungener Emigration und damit oft einhergehend von massiver Beeinträchtigung der seelischen und körperlichen Unversehrtheit der Verfolgten“ (ebd.) geprägt. Die folgenden Informationen wurden in der KLEINEN SUHLER REIHE (48) hinterlegt, stammen aber überwiegend aus einem Lebenslauf, den Max Levy-Suhl 1903 seiner Dissertationsschrift hinzufügte. Daraus lässt sich entnehmen, dass er mit sechs Jahren in die „Höhere Privatknabenschule zu Suhl“ eintrat und die Obertertia 1890 erreichte. Danach wurde er in das Königliche Realgymnasium in Erfurt aufgenommen, welches er 1891 mit dem Reifezeugnis für die Obersekunda verließ. Bevor er sich der Medizin zuwandte, widmete sich Max erst dem Kaufmannstand, in dem er vier Jahre tätig war. Danach ging er mit 19 an das Gymnasium Ernestinum Gotha und vollendete sein Reifezeugnis. Er begann sein Medizinstudium 1897 in Würzburg und legte gegen Ende des ersten Semesters seine Ergänzungsprüfung in Gotha ab. „Damit endete die thüringische Zeit von Max Levy-Suhl und er setzte sein Medizinstudium in Würzburg, Berlin, Freiburg i. Br., Kiel, wieder Berlin und Straßburg fort und erlang seine Approbation im Jahr 1903“ (ebd., S. 44). Im Laufe der Jahre fertigte er in Freiburg seine Doktorarbeit an, war 1904 in der Universität Berlin angestellt, 1905 an der Charité und 1907 in der „Irrenanstalt“ (ebd.) Berlin. In dieser Zeit erschien eine seiner großen psychologischen Studien über die „experimentelle Beeinflussung des Vorstellungsverlaufes“. Von 1909 bis 1933 war Dr. Max Levy-Suhl mit eigener Praxis im Berliner Adressbuch verzeichnet. Auf seine Teilnahme am ersten Weltkrieg verweisen einige seiner Aufsätze aus dieser Zeit (vgl. ebd.) Am 18. Juli 1913 heiratete Max in Berlin Hildegard Johanna, welche ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammte. Hildegard war ebenfalls Ärztin. Sie war von 1914 bis 1921 als Chefärztin tätig und seit 1919 niedergelassene Kinderärztin. Sie hatte eine adoptierte Tochter, Berta (vgl. ebd.) „Eine weitere Spur der Familie findet sich in Berlin-Kladow“ (ebd., S. 47), wo sich die Familie 1927 ein Wochenendhaus errichten ließen. 1933 floh Levy-Suhl vor dem Nazi-Regime in die Niederlande. „Am 3. Oktober meldete er sich mit seiner Frau und seiner Adoptivtochter vorsorglich in der niederländischen Gemeinde Amersfoort an“ (ebd., S. 58), bevor er nach Erledigung aller Formalitäten, Anfang November aus Berlin ausreisen konnte. Die Wahl des neuen Wohnortes lässt sich damit begründen, dass in Amersfoort eine Psychiaterin lebte, die Levy-Suhl kannte und seine psychiatrische Praxis „decken“ konnte, da er keine Approbation für die Niederlande hatte. In Amersfoort gründeten Max und seine Frau ein Heim für schwer erziehbare Kinder. Nebenbei arbeitete er auch analytisch und gab ab 1935 Vorlesungen an der Volkshochschule. 1937 zog er mit seiner Frau nach Amsterdam und richtete dort seine Praxis ein. Nachdem die Nazis im Mai 1940 Holland besetzten, war es dem Ehepaar möglich, unterzutauchen. Eine deutsche Praxishilfe, Hildegard Giesela Knierim, die bei ihm gearbeitet hatte, versteckte das Ehepaar mit ihrem Partner und mit Hilfe holländischer Widerstandskreise ab 1942 in der Amsterdamer Wohnung Herengracht 287. Nach dem Krieg, am 17. September 1945, war das Ehepaar Levy-Suhl unter dieser Adresse polizeilich gemeldet. „Dies war auch Max Levy-Suhls Wohnort, als er am 26. September 1947 tot aufgefunden wurde“ (ebd., S. 61). Durch den „Zufallsfund“ (ebd.) eines Briefes zwischen zwei Psychoanalytiker-Kollegen, sind mehr Details über Levy-Suhls Todesumstände bekannt. Oskar Pfister schrieb Ende Dezember 1947 an Paul Federn: „Unter dem Christbaum erreichte mich die tragische Nachricht, dass Dr. Levi-Suhl im Haag, schon längere Zeit Morphinist, suizidierte. Ich habe ihn als Denker geschätzt. Er war ein menschenfreundlicher Wahrheitssucher, den der Krieg, schon vorher der Nationalsozialismus zerbrach.“ (ebd. bzw. Brief). Seine Frau starb zweieinhalb Jahre später. Levy-Suhl war der einzige der drei deutsch-jüdischen Psychoanalytiker, die 1933 nach Holland emigrierten, der die Verfolgung durch Nationalsozialisten überlebte. „Aber er war danach ein gebrochener Mann. Umso mehr sollte uns daran gelegen sein, die Erinnerung an ihn wachzuhalten“ (ebd.)

Literaturverzeichnis

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Stadtarchiv Suhl. (kein Datum). Brief an Selma Friedmann. Akte Signum 3.1.2.4.76.


Stobbe, U. (2017). Steine welken nicht - Jüdisches Leben in Suhl (2). Stadtverwaltung Suhl.

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